Aus dem Stadtrat vom 23. November: Mobilitätsplan 2040

Da die Entscheidung zum Mobilitätsplan einen Zeitraum bis 2040 umfasst, sei es mir gestattet, dass ich etwas weiter aushole.
Demokratie ist in der Bundesrepublik Deutschland ein hohes Gut und ein wesentlicher Wert unserer Gesellschaft. Demokratie auf kommunaler Ebene beschränkt sich nicht darauf, alle 7 Jahre eine Bürgermeisterin oder einen Bürgermeister und alle 5 Jahre den Stadtrat zu wählen. Gelebte Demokratie in einer Kommune findet vor allem dann statt, wenn die Bürgerschaft direkt in die Entscheidungsfindung zu wesentlichen Angelegenheiten der Stadt einbezogen wird.
Die Erarbeitung des Mobilitätsplans 2040 in einem ko-kreativen Prozess
zwischen der Stadt Chemnitz,
einem beauftragten externen Gutachter
und einem Runden Tisch mit Mitgliedern der im Stadtrat vertretenen Fraktionen, Vertreter:innen von Mobilitätsanbietern und Interessenvertretungen der Chemnitzer Bürgerschaft
war für meine FG ein Vorzeigebeispiel für gelebte Demokratie in unserer Stadt.

Kompetent und pragmatisch konstruktiv moderiert von Prof. Pfotenhauer fanden über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren 6 Runde Tische und 6 Werkstattgespräche statt. In diesem Prozess wurde der Aufbau des Mobilitätsplanes mit seinen 4 Ebenen
Leitbild,
Strategien/Positionen,
Leuchttürmen
und Maßnahmen
entwickelt, das Leitbild mit 5 Aspekten erarbeitet und mit den Arbeitsmitteln Strategien/Projekte, Leuchttürme und Maßnahmen konkret untersetzt.

Ich bedanke mich bei allen Beteiligten, die diesen demokratischen Prozess organisierten und mitgestalteten. Meine Fraktionsgemeinschaft hat sich dabei aktiv eingebracht. So finden wir auch unsere Positionen im Leitbild wieder. Z.B.
Verkehrsplanung ist Stadtplanung
Wir benötigen gleiche Mobilitätschancen für alle Chemnitzer:innen, egal wie sie unterwegs sind
Es gilt, Verkehr zu minimieren und Mobilität zu maximieren, was nur durch eine deutlich bessere Förderung des Umweltverbundes möglich ist.
Die zukünftige Mobilität wird durch Multi- und intermodales Verkehrsverhalten geprägt sein, wobei das zweite eine deutlich effektivere Verknüpfung der Mobilitätsarten erfordert.
Und wir wollen, dass diese Veränderungen nicht durch Restriktionen, sondern durch ein verändertes Mobilitätsbewusstsein der Chemnitzerinnen und Chemnitzer erreicht werden.
Wir mussten als Fraktionsgemeinschaft aber auch akzeptieren, dass sich nicht alle unsere Positionen im Entwurf des Mobilitätsplans wiederfinden.
Es war ein Kompromiss, der von den Mitgliedern des Runden Tisches verabschiedet wurde.
Mit diesem als Grundlage fand im Herbst 2020 eine öffentliche Debatte statt mit 4 Angeboten:
Der Beteiligung der Stadtverwaltung und deren Tochterunternehmen.
Der Einbeziehung der Träger öffentlicher Belange (TÖB).
Einem Bürger:innenratschlag mit ausgewählten Chemnitzer:innen.
Und ein Interessennetzwerk mit Netzwerken, Organisationen, Verbänden und Vereinen.

Am Ende dieses demokratischen Prozesses stand als Konsens und Kompromiss die Version 1.3 des Mobilitätsplanes 2040. Zu dieser fand abschließend eine Online-Beteiligung der Bürgerschaft statt, an der über 1500 Chemnitzerinnen und Chemnitzer teilnahmen und mit über 70% den 5 Leitbildaspekten zustimmten.

Für meine FG ist es unverständlich, dass anschließend der in einem demokratischen Prozess erarbeitete Konsens der Chemnitzer Bürgerschaft zur Mobilität 2040
durch die Stadtverwaltungsspitze vom Mobilitätsplan zu einer unverbindlichen Absichtserklärung zur Mobilität (Version 1.4) degradiert wurde.
Das Argument des Vorgriffes auf den Haushalt ist vorgeschoben. Es ist gängige HH- Praxis in unserer Stadt, das kostenrelevante Maßnahmen mit dem HH- Plan beschlossen werden müssen. Unser Radverkehrskonzept und dessen zögerliche Umsetzung, da die im Konzept enthaltenen 600 T€ städtische Mittel jährlich für den Radverkehr selten zur Verfügung standen, sind ein beredtes Beispiel dafür. Klar ist jedoch, dass man in den HH- Diskussionen mit einen klaren Konzept, einem Plan bessere Argumente hat als mit einer Absichtserklärung.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
alle Fraktionen waren am Runden Tisch vertreten. Bei der Abschlussberatung äußerte keiner der anwesenden Fraktionsvertreter Kritik am erarbeiteten Kompromiss. Deshalb kann meine Fraktionsgemeinschaft nicht nachvollziehen, dass anschließend die CDU-Stadtratsfraktion und die AFD den Entscheidungsprozess im Stadtrat verzögerten und den bürgerschaftlichen Kompromiss aufweichten.
Die aktuellen Diskussionen verdeutlichten, dass beide Fraktionen Probleme mit der konsequenten Ausrichtung auf den Umweltverbund haben, ohne diese Auffassungen klar am Runden Tisch kommuniziert zu haben.
Beispielgebend ist, dass, nachdem den Fraktionen der Beschlussentwurf seit über einem Jahr vorliegt, es Beratungen der Verwaltung mit den Fraktionen gab, der Ausschuss für Stadtentwicklung und Mobilität sich wiederholt mit dem Mobilitätsplan beschäftigte, die CDU-Fraktion einen Tag vor der heutigen Sitzung noch einen Änderungsantrag nachschiebt. Eine inhaltlich sachliche Debatte sollte damit wohl verhindert werden.
Aber auch diese Änderungen sind, wie die meisten anderen in der Version 1.5, nicht so substanziell, dass sie nicht hätten im konkreten Umsetzungsprozess der 11 prioritären Strategien und der 122 Strategien und 34 Projekte Berücksichtigung finden können.

Sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,
es ist der Umsetzungsprozess des Mobilitätsplanes 2040 und dessen Ergebnisse an denen wir zukünftig gemessen werden und wir sollten uns bewusst sein, dass wir am Runden Tisch ohne Gegenrede beschlossen haben, den runden Tisch weiterzuführen, um den Umsetzungsprozess zu begleiten, die Verwaltung zu beraten und die Erarbeitung eines Monitoringsystems zu unterstützen. Wir setzen richtigerweise auch bei der Umsetzung des Mobilitätsplanes auf den demokratischen Prozess der Bürgerbeteiligung.
Stoßen wir die Chemnitzerinnen und Chemnitzer nicht vor den Kopf. Stehen wir heute zu diesem, dem von uns gewählten Verfahren zur Erarbeitung des Mobilitätsplanes,
dem Kompromiss des Runden Tisches als Arbeitsgrundlage und arbeiten wir gemeinsam mit der Chemnitzer Bürgerschaft an dessen Umsetzung.
Stimmen Sie bitte unserem Änderungsantrag zu.

Die Fraktionsgemeinschaft DIE LINKE/Die PARTEI hält ihre Kritik an der Missachtung des Bürgerwillens bei der Entscheidung zum Mobilitätsplan aufrecht.
Aber im Gegensatz zum bisher gültigen Verkehrsentwicklungsplan, der vordergründig den Motorisierten Individualverkehr entwickelte, weist der Mobilitätsplan 2040 mit seiner Ausrichtung auf den Umweltverbund in die richtige Richtung und enthält, wenn auch nur als Absichtserklärung, mit den Strategien und Projekten Maßnahmen bereit, diesen einzuschlagen. Deshalb stimmte meine Fraktionsgemeinschaft dem Mobilitätsplan in der Version 1.5 zu.