Aus dem Stadtrat vom 14.10.: Chemnitz als sicherer Hafen

Seit Jahren erreichen uns katastrophale Bilder von Menschen auf der Flucht. Familien und Einzelpersonen sehnen sich nach einer menschenwürdigen Zukunft in Europa. Sie fliehen vor Krieg, politischer Verfolgung, und wirtschaftlich schwachen Lebensbedingungen.

Der UNHCR geht davon aus, dass jeder siebte Mensch, der über das Mittelmeer flieht, ertrinkt. Darunter auch Kinder und Jugendliche. Dennoch werden zivile Seenotrettungsschiffe unter fadenscheinigen Argumenten in den Häfen festgehalten und Schiffen mit Geretteten wird die Einfahrt in europäische Häfen verweigert, weil sich niemand verantwortlich fühlt und auch keine Verantwortung übernehmen will. Besonders die Hetze gegen Geflüchtete und gegen zivile Seenotretter:innen hat zu einer Verschiebung des gesellschaftlichen Konsens nach rechts geführt.

Aber: wer der Rettung von Schiffbrüchigen keine Form der Solidarität zeigt, spricht den über das Meer fliehenden Menschen letztendlich die Lebensberechtigung ab und stellt damit die Frage, ob jedes Menschenleben ohne Einschränkung gleich viel wert ist.Geflüchtete sind dabei immer die Verlierer:innen dieser Diskussionen und Ungerechtigkeiten. Schutzsuchende werden zu Feindbildern aufgebaut und sie werden selber für ihr Elend verantwortlich gemacht, sie werden kriminalisiert und am Ende gar vollkommen entmenschlicht.

Kriminell ist viel mehr die Politik, die Menschen willentlich auf See oder in Geflüchtetencamps vergisst und sterben lässt. Wir müssen Entwürfe für eine solidarische und humane Gesellschaft entwickeln, die allen Menschen dieselben Rechte garantiert und ein würdiges Leben ermöglicht. Die Solidarität mit Schutz suchenden Menschen ist dabei ein wichtiger Aspekt!

Mit dem Beschlussantrag BA-48/2020 hat sich die Stadt Chemnitz bereit erklärt, pro Quartal 3 weitere unbegleitete Minderjährige bis 14 Jahre aus Griechenland aufzunehmen. Ich sage es mal so wie es ist: Besser als nichts aber trotzdem eine Katastrophe. Stellen Sie sich vor, liebe Kolleg:innen, Sie haben Kinder in verschiedenen Altersgruppen und möchten allen gleichermaßen eine friedliche und sichere Zukunft bieten. Sie haben die Möglichkeit ihr 14jähriges Kind in ein fremdes Land zu bringen, das 17jährige Geschwisterkind darf aber nicht mit und Sie schicken ihr Kind alleine los. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Sie das befürworten oder?

Liebe Kolleg:innen der CDU Fraktion. Ich kann mir vorstellen, dass es unter Ihnen noch einige Unschlüssige gibt, dass Sie diesen Antrag als ein parteipolitisches Politikum sehen und sich aufgrund dessen schwer tun, dem Antrag zuzustimmen. Deswegen erlaube ich mir einige Beispiele aus CDU-Kreisen anzubringen. Damit möchte ich Sie nicht unter Druck setzen, sondern Ihnen verdeutlichen, dass es auch CDU intern wohlwollende Meinungen zum Thema gibt und hoffe damit, dass ich Sie ebenfalls überzeugen kann, dem Antrag zuzustimmen.

Unter den deutschen Städten, die sich bereits zum „Sicheren Hafen“ erklärt haben, befinden sich auch Konstanz, Würzburg und Düsseldorf. Alle drei Städte haben einen CDU- Oberbürgermeister. Auch andere CDU- geführte Städte haben sich zum Sicheren Hafen erklärt. Paul Ziemiak, der CDU- Generalsekretär sagt am… in Berlin nach der Sitzung der Parteigremien bei allen im CDU-Bundesvorstand habe es den Wunsch gegeben, dass man nicht nur Mitgefühl zeige, sondern schnell Hilfe leiste. Zitat: „Da geht es nicht um Wochen oder Monate, sondern da geht es um Stunden und Tage, dass den Menschen vor Ort geholfen wird.“ Die Lage sei, laut CDU Bundesvorstand, erschreckend und beschämend.
Auch die Bundeskanzlerin sieht dringenden Handlungsbedarf bei den katastrophalen Zuständen in Griechenland. Der Chemnitzer Bundestagasbgeordnete und Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Frank Heinrich, war Anfang des Jahres, also auch vor dem Brand, in Moria. In einem Interview mit der Freien Presse sagte er zu Situation vor Ort.“ Ich bin schockiert über das, was ich dort gesehen und gehört habe. Menschenhandel, Prostitution, Gewalttaten aus Verzweiflung sind offenbar keine Einzelfälle, sondern die Regel. Die Lebensbedingungen sind unterirdisch.“ Auch er spricht sich für die Aufnahme von Geflüchteten aus Griechenland aus.

Warum soll Chemnitz zum Sicheren Hafen werden und sich der SEEBRÜCKE anschließen?

Die Seebrücke ist eine internationale Bewegung, getragen von verschiedenen Bündnissen und Akteur:innen der Zivilgesellschaft.Zitat der Chemnitzer Seebrücke Gruppe: „Chemnitz ist nicht nur Stadt der Moderne, nicht nur potentielle Kulturhauptstadt Europas, sondern hat jetzt auch die Möglichkeit ein Zeichen im Namen von Humanität und Solidarität zu setzen. Wir hoffen sehr, dass die Stadträtinnen und Stadträte ihre Mitmenschlichkeit zeigen und diesen Antrag unterstützen.“

Die SEEBRÜCKE setzt sich dafür ein, dass Menschen auf der Flucht einen Ort zum Ankommen finden einen Sicheren Hafen. Dort, wo die Bundes- und Europapolitik ihrer Verantwortung nicht gerecht wird, muss die kommunale Politik tätig werden. Kommunen können sich für ein sicheres Ankommen und neue rechtliche Rahmen einsetzen.

Ein sicherer Hafen bedeutet, sich gegenüber dem Bundesland und der Bundesregierung für die Einrichtung neuer bzw. für die deutliche Ausweitung bestehender Programme zur legalen Aufnahme von Menschen auf der Flucht einsetzen und dazu selbst Aufnahmeplätze zusätzlich zur Verteilungsquote (Königsteiner Schlüssel) anbieten.

Die Antragssteller*innen und die Petet*innen setzen sich mit diesem Antrag für ein starkes, solidarisches und humanes Chemnitz und gegen den europäischen Trend der Abschottung ein. Wir solidarisieren uns mit den Menschen auf der Flucht und mit den Zielen der Seebrücke und positionieren und klar gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung.

Auch migrantische Selbstorganisationen, der Sächsische Flüchtlingsrat, der AGIUA e.V:, Aufstehen gegen Rassismus, Amnesty International, der Caritasverband, der Different People e.V., der LSVD, der Student:innenrat der TU Chemnitz und viele weitere Initiativen, Gruppen und Vereine unterstützen das Anliegen.

Ich hoffe, dass sich die Unentschlossenen unter uns noch einmal der Wichtigkeit des Anliegens bewusst geworden sind und Sie sich uns anschließen können.

Lassen wir niemanden zurück. Leave no one behind.