Aus dem Stadtrat vom 14. September: Vereinbarung über eine Städtepartnerschaft mit Kirjat Bialik (Israel)

Eigentlich würde heute, wenn es noch gänge, jemand anders hier vorne stehen und für die Partnerschaft mit der israelischen Stadt Kiryat Bialik werben. Es war nämlich vor allem die Initiative von Hubert Gintschel, welche zum Ende des Jahres 2019 in einem Beschluss mit dem Titel „Städtepartnerschaften“ endete und zwar mit einer Mehrheit von 52 Stimmen. Ein Auftrag dieses Beschlusses war es, Vorschläge für das Anstreben weiterer Städtepartnerschaften unter anderen mit einer Stadt in Israel zu entwickeln und zwar unter der Prämisse der Einbeziehung der Stadträtinnen und Stadträte.

Dieser Beschlussantrag wiederum brachte dann ein Jahr später das Konzept zur Verstärkung und Entwicklung der europäischen und internationalen Beziehungen der Stadt Chemnitz 20202025 auf den Weg. Die Mitglieder des VFA werden sich daran erinnern.

Ein weiterer Meilenstein in der Umsetzung des Konzeptes und Beschlusses war die Delegationsreise nach Kiryat Bialik im Mai dieses Jahres, an der auch ich teilnehmen durfte. In Vorbereitung auf diese Reise stellte mir Hubert Gintschel seine Mitschriften und einige Bücher und Romane über Israel, u.a. von Stefan Heym, aber auch die Bibel zur Verfügung. In seiner letzten Mail an mich schrieb er: „Natürlich kannst du die Bücher bis zum Herbst behalten. Eine gute, fundierte Argumentation ist wichtig.“

In Hubert Gintschels Mitschriften heißt es weiterhin: „Wir begrüßen es sehr, dass nunmehr unter der Verantwortung des OB das Projekt Städtepartnerschaft mit Kiryat Bialik eine neue Dynamik bekommen hat und 2022 entsprechende Dokumente unterzeichnet werden sollen.“

Ihre Zustimmung vorausgesetzt, sind wir jetzt kurz davor, dieses Realität werden zu lassen. Aber warum ist es wichtig, die schon seit 2009 bestehenden, mehr oder weniger verbindlichen aber guten Beziehungen zu dieser nordisraelischen Stadt, in der ca. 40.000 Menschen leben, mit einer Städtepartnerschaft zu verstetigen?

In aller erster Linie, um dem Wunsch und dem Anliegen Ausdruck zu verleihen, dass die Menschen in beiden Städten voneinander lernen können und weil der Austausch auf kulturellem, sportlichem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiet eine gegenseitige Bereicherung sein wird.

Wir können bspw. lernen, wie es gelingt, Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen in das Stadtleben zu integrieren. Wir können in den Erfahrungsaustausch treten, wie eine Stadt gut wächst, baulich und die Bevölkerung betreffend. Wir können miteinander diskutieren, welche Bedingungen Wirtschaftsunternehmen brauchen, um sich dauerhaft anzusiedeln. Wir können lernen, wie eng  tiefe Trauer und unbändige Lebensfreude zusammenhängen und dass junge Menschen in der Lage sind, Großartiges in der und für die Stadtgesellschaft zu leisten. Außerdem gibt es gute Ansatzpunkte für den Erfahrungsaustausch zu den Themen Müllvermeidung, Klimaschutz, Umgang mit dem historischen Erbe, aber auch dem ÖPNV (das ist gleichzeitig ein Gruß an den besten Busfahrer der Welt Shlomi).

In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen Aspekt hinweisen, der mir am meisten am Herzen liegt: der Jugendaustausch als wichtiger Teil der Städtepartnerschaft. Wir wissen von mehreren Chemnitzer Jugendfreizeiteinrichtungen, dass sie ein großes Interesse haben, diesen Austausch zu ermöglichen, damit junge Menschen lernen, dass Antijudaismus kein spaßiges jugendsprachliches Element ist, sondern dass die Shoa vor allem erst durch ein größenwahnsinniges, menschenverachtendes Weltbild möglich wurde. Wenn junge Menschen sich gegenseitig kennenlernen können, mit all ihren Vorurteilen und Ängsten und merken, dass die vermeintlich Anderen genauso viel Spaß am Leben, am sportlichen Wettstreit bspw. im Basketball und Fußball und die gleichen Sorgen in der Schule und im Elternhaus haben, dann ist dies ein kleiner Beitrag dazu, dass die Welt ein besserer Ort wird.

In diesem Sinne werbe ich noch einmal für Ihre Zustimmung zur Städtepartnerschaft mit Kiryat Bialik, verbunden mit der Empfehlung, sich intensiv mit dem Staat Israel zu beschäftigen und wie in einer guten Partnerschaft auch, sich neben der verklärten Verliebtheit dem kritischen Blick auf den anderen und der Auseinandersetzung mit dieser Kritik nicht zu verschließen.

Und beeindruckt von dem optimistischen Lebensgefühl, welches ich überall in Israel gespürt habe und auch ein bisschen mit Bezug auf den Beginn dieser Rede, möchte ich diesen Redebeitrag mit dem hebräischen Spruch beim Anstoßen beenden: Lechajim! „Auf das Leben!“.