Aus dem Stadtrat vom 10.2.: Rede zur Petition Olbricht

Chef,

Sehr geehrte Damen, divers und Herren,

Grüße an die Geräte zu Hause,

Petitionen sind ein wichtiges Mittel als demokratischer Beteiligungsprozess. Und gelegentlich geben sie uns Entscheidungsträger_innen auch den direkten Auftrag uns in historisch verantwortlicher und verantwortungsvoller Weisen gewissenhaft mit Themen fernab des Alltagsgeschäfts zu befassen.

Die hier vorgebrachte Petition regt an eine Straße nach General Friedrich Olbricht zu benennen.

Um hier überhaupt eine Entscheidung ob der Benennung oder Überweisung in einen Ausschuss treffen zu können, ist es selbstverständlich sich mit der Person Olbricht tiefgehender auseinander zu setzen. So wäre doch der Beschluss jedweder Fortführung ein Zeichen.

Wer war Olbricht? Was für ein Mensch im und außerhalb des Widerstands?

Friedrich Olbricht, 1888 geboren, nach dem Abitur 1907 trat er den Fahnenjunker bei. Damit begann seine militärisch erfolgreiche Karriere und die Sammlung unzähliger Orden und Auszeichnungen. Nach dem ersten Weltkrieg wurde er Hauptmann, später Major in der Reichswehr. ’33 wurde er Stabschef der 4. Division in D, ’38 dann Kommandeur der 24. Infantriedivision in Dresden.

Als Kommandeur der 24. Infantriedevision war er maßgeblich am Überfall auf Polen beteiligt. Seine Division stieß dabei Richtung unserer Partnerstadt Łódź vor. Dabei war die Division Teil der Entscheidungsschlacht an der Bzura. Polnische Verbände versuchten hinter die Linien zu gelangen, wurden aber massiv eingekesselt. 170.000 Soldaten gerieten in deutsche Kriegsgefangenschaft und unzählige Pol_innen verloren ihr Leben. Vom Treiben der Wehrmacht in den besetzten Gebieten möchte ich jetzt hier gar nicht erst anfangen.

 Für seine Leistungen in Polen erhielt er das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes.

’40 wurde er zum General ernannt und zum Leiter des Allgemeinen Heeresamts. Hier trug er die Verantwortung für den gesamten materiellen und personellen Ersatz der Landstreitkräfte und die Führung der Zentralnachrichtenstelle der Wehrmacht. An dieser essenziellen Schaltstelle ist nichts darüber bekannt, dass es durch ihm zu Verfehlungen / Widerstandshandlungen oder gar sabotierenden Aktionen gekommen ist. Auch ist es wohl zweifellos, dass Olbricht über die menschlichen Abgründe und den industriellen Massenmord genaustens Bescheid wusste. Wenn nicht durch eigenes Wissen, dann zumindest durch enge Zusammenarbeit mit anderen Aktiven im Widerstand (z.B. Henning von Tresckow), die nachgewiesen von den Kriegsverbrechen und Gräueltaten des Nazi-Regimes wussten und mit in der Befehlskette standen.

Seine Widerstandsbestrebungen aus diesem Wissen heraus lassen sich leider aus keiner Quelle ableiten.

Olbricht scheint durchaus kein glühender Anhänger der Führung gewesen zu sein. Auch war er nicht durch den Nationalsozialismus ideologisiert. Dass er vereinzelt Vorgehen hinterfragt oder sich für Opfer einsetzt, ist nachzulesen – dass der Einsatz sich dabei anscheinend hauptsächlich auf Personen in seinem militärischen Umfeld beschränkt, ist ebenfalls belegt.

Olbricht selbst wirkte in seiner Beteiligung im widerstand eher phlegmatisch und wurde durch persönlichen Einfluss Tresckows erst wieder tätiger in der Planung. Als treibende Kraft im Widerstand kann man ihn wohl getrost nicht bezeichnen.

Auch gab Olbricht nach dem Attentat 20.Juli ’44 nicht die Alarmbefehle wie geplant heraus, sondern um Stunden verzögert, Oberst i.G. Mertz von Quirnheim hinter dem Rücken Olbrichts, Durch das Verzögern wurde ein schnellerer und vielleicht effizienterer Umsturz verhindert.

Das es auch andere Beteiligte im Widerstand gab, mit einer fast identischen Biographie und doch gänzlich überzeugenderem eindeutigen Verhalten zeigt u.a. ein Blick zu Minister Gemkows Urgroßonkel Hans Paul Oster.

Die Auffassung, dass es sich beim Widerstand des 20. Juli gegen Hitler, allein um einen „Aufstand des

Gewissens“ oder des Antifaschismus gehandelt habe, ist inzwischen von der Forschung gründlich revidiert worden. Dies zeigt sich bei wissenschaftshistorischen Ausführungen von Prof. Dr. Klaus Hildebrand  oder Prof. Winfried Heinemann Oberst a.D.

Zu bedenken geben möchte ich, eine Ehrung ist immer auch moralischer Natur. Der Fakt einer Handlung kann nicht die Gesamtheit der Handlungen unbeachtet lassen. So gehört nicht nur die Beteiligung am Widerstand an sich, sondern auch die Motivation, der Mensch und sein Leben betrachtet. Olbricht war am Widerstand beteiligt, aber auch ein Opfer seiner Sozialisation, preußischer Militarist, überzeugter Nationalist und verurteilte das Régime nie für die Taten, die wir heute zum Glück für verurteilungswert halten.

Ja Olbricht  war Opfer des Nationalsozialismus, ja aber auch Täter und Nutznießer, diese Ambivalenz der Person Olbricht lässt sich schlicht mit und in einem Straßennamen und einer Ehrung  in dieser Art und Weise nicht sachlich korrekt darstellen und ist genau genommen eine undifferenzierte ahistorische Glorifizierung

Ich bin der festen Überzeugung das es eine Bringschuld unserer, ja meiner Generation ist nicht zu glorifizieren, sondern sachlich und historisch wissenschaftlich fundiert aufzuarbeiten ohne die Bewältigungsrethorik der Nachkriegsjahrzehnte zu bedienen.

Daher kann sich die Fraktionsgemeinschaft Die Linke/Die PARTEI mehrheitlich nicht für eine Abhilfe der Petition aussprechen. Auch dem Änderungsantrag werden wir nicht abhelfen. #lolspd

… das war jetzt aber gar nich lustig …