Aus dem Stadtrat vom 21.7.: Vereinsamung von Senior:innen

Die 3. Welle der Pandemie scheint beendet zu sein. Die Inzidenz auch in Chemnitz hat einen sehr niedrigen Wert erreicht und dies seit geraumer Zeit. Auch wenn bundesweit die Inzidenz wieder leicht steigt; wir sind weit weg von der Situation im Winter und Frühjahr dieses Jahres.

Das Leben auch unserer älteren Bürger ob in Seniorenheimen oder zu
Hause scheint wieder in normalen Bahnen zu verlaufen; insbesondere die Pflege- und Seniorenheime vermelden keine Neuansteckungen. Sicher ist dies auch dem Impffortschritt zu verdanken. Also, wird der Beschlussantrag eigentlich noch gebraucht? Ja.

Das Thema Einsamkeit im Alter ist keines, was nur oder gar ausschließlich pandemiebedingt ist. Die Pandemie hat ein Problem nur verschärft, was es schon vorher gab. Sie hat, wenn man so will, das Thema nur freigelegt, schonungslos und unerbittlich. Die Gesellschaft und damit eben auch die staatlichen Strukturen ebenso wie die Betreiber von Einrichtungen für die alten und hochalten Menschen waren auf die Pandemie nicht vorbereitet und haben deshalb mit Maßnahmen in den Heimen und Begegnungsstätten reagiert, die erstmal die Verbreitung des Virus eingedämmt haben.

Das möchte meine Fraktionsgemeinschaft 15 Monate nach Ausbruch der Pandemie auch nicht kritisieren es waren auf die Schnelle die scheinbar einzigen Sofortlösungen. Das dabei psychische Problem entstehen können, dass viele Ältere einsam im Heim verstorben sind und damit bei den Angehörigen regelrechte Traumata entstanden sind, das wurde nicht bedacht. Und zwar von der Gesellschaft als Ganzes. Und dass bei der einen oder anderen Heimleitung und den kommunalen Stellen die eine oder andere wenig mitfühlende für die Älteren und deren Angehörigen Umgangsform zu beobachten war, gehört auch zur Wahrheit.

Ich will aber auch das Gerede in der letzten Stadtratssitzung abräumen, wonach der Beschlussantrag den Angehörigen im Gesundheitswesen oder den Seniorenheimen die Würdigung ihrer aufopferungsvollen Arbeit in der Pandemie versagen würde. Das ist
Quatsch. Nicht darüber zu reden, was künftig besser zu machen ist, dass wäre aus unserer Sicht despektierlich gegenüber diesen Beschäftigten, weil eben keine Lehren gezogen würden.

Was treibt uns nun zu dem Antrag. Keiner, der halbwegs bei Verstand ist, wird seine Hand dafür ins Feuer legen, dass die Coronapandemie völlig überwunden ist und eine 4. Welle wie stark auch immer nie und nimmer unser Land oder unsere Stadt ereilen wird. Aus diesem Grund wollen wir, dass sich die Verwaltung gemeinsam mit den Betreibern jetzt Gedanken machen, wie bei einem erneuten Anstieg der Infektion anders und besser so reagiert wird, dass nicht erneut die alten Menschen in ihren Zimmern, aber auch nicht in ihren Wohnungen verbleiben müssen und erneut einsamer werden.

Einsamkeit lässt sich nämlich leichter bekämpfen, wenn eine Gesellschaft das Problem erkennt und darüber spricht. Wenn sie ein Klima schafft, dass Menschen erleichtert, trotz pandemiebezogener Einschränkungen aktiv am Leben teilzunehmen. Gerade jetzt, in der Zeit der Lockerungen. Denn die Einsamkeit wird die Pandemie überdauern.

Wir erwarten, dass die Verwaltung dem Stadtrat bis Ende des Jahres dazu ihren Maßnahmenkatalog vorlegt. Das gilt aber nicht nur für die Senioren und Pflegeheime, sondern auch und ganz besonders für die Begegnungsstätten. Auch die müssen beim Thema Vereinsamung alter Menschen in den Blick genommen werden. Hier finden Hunderte alte Menschen, die allein leben, leben müssen, oft ihr 2.Wohnzimmer. Hier erleben sie so etwas wie Freundschaft, Zuneigung, Kultur oder einfach nur den Kaffeeklatsch. Begegnungsstätten strukturieren ihre Woche. Deshalb war auch die Schließung der Begegnungsstätten über Monate für die Seniorinnen und Senioren eine schlimme Zeit und es war/ist berührend, wenn bei Neueröffnung Tränen geflossen sind und die geplante Schließzeit an diesem Tag weit in den Abend verschoben werden musste.

Bei den Begegnungsstätten haben sich allerdings das zuständige Amt und die zuständige Abteilung nicht mit Ruhm bekleckert. Während mit den Heimleitungen wöchentliche laut Amt freiwillige Videokonferenzen durchgeführt worden, waren es bei den Begegnungsstätten nur die eine oder andere E‑Mail. Oft im Amtsdeutsch geschrieben und für das Ehrenamt meist schwer umsetzbar, weil erklärungsbedürftig. Kontakte zu den Leitungen
der Einrichtungen waren und sind aber genauso wichtig.

Hier muss rasch ein Umdenken erfolgen. Denn: Die Begegnungsstätten leisten einen wichtigen Beitrag für ein lebenswertes Dasein im Alter in unserer Stadt. Und dies zu großen Teilen ehrenamtlich. Da ist nicht ein Amt schlechthin, was Statistiken und Abrechnungen bis zwei Stellen nach dem Komma prüft, erforderlich, sondern der Dienstleister, Unterstützer. Hier ist eine Veränderung der Arbeitsweise dringend erforderlich.

Ich sage dies bewusst, weil man im letzten Sozialausschuss bei der Behandlung dieses Antrages schon den Eindruck bekommen musste, dass das Amt die Dimension dieser Aufgabe nicht verinnerlich hat, ich hoffe, noch nicht verinnerlicht hat.

Was wir u.a. mit dem Antrag wollen, ist, dass nicht erst mal geprüft wird, sind wir dafür überhaupt zuständig oder können wir das woanders hin verlagern, sondern über Formate und Lösungsansätze nachgedacht wird. Und die These, es gab doch kaum Beschwerden, also gab es auch keine Probleme, ist nicht das Gelbe vom Ei. Dass da das Sozialamt nicht das alleinige ist, was solch einen Denkprozess durchmachen muss, erwähne ich hier nur der Vollständigkeit halber.

Letztes: Nicht nur bei dem Thema habe ich den Eindruck, dass seitens eines Teils der Verwaltung auch erstmal darüber nachgedacht wird, ob denn der Stadtrat überhaupt zuständig ist oder ob man die Nichtzulässigkeit erklären kann, um das Problem abzuräumen. Ich glaube nicht, dass wir so die Herausforderung von Stadtentwicklung in all ihren Facetten gerade in dieser komplizierten Zeit gerecht werden.