Aus dem Stadtrat vom 6. April: Entgeltordnung der Volkshochschule Chemnitz

Volkshochschulen haben eine nahezu hundertjährige Tradition. Heute sind sie eine gemeinnützige Einrichtung zur Erwachsenen- und Weiterbildung und leisten auf diesem sowie angrenzenden Bereichen eine außerordentlich verdienstvolle Arbeit. Dies gilt namentlich auch und im Besonderen für die Volkshochschule Chemnitz, sodass wir die heutige Beschlussvorlage zunächst zum Anlass nehmen dürfen, uns bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und der Leitung der VHS Chemnitz ausdrücklich zu bedanken und unseren Respekt für ihr verantwortliches Wirken als kommunales Weiterbildungszentrum mit einem hohen, auch sozialen und kulturellen Stellenwert zu bekunden.

Was die Vorlage selbst angeht, also die zur Beratung und Beschlussfassung anstehende Entgeltordnung der Volkshochschule Chemnitz sind wir ausgesprochen zwiespältig.

Zum einen ist es natürlich ein Problem, wenn wir gerade jetzt in dieser Zeit, wo aus den verschiedensten Zusammenhängen heraus, die Preise für die Bürgerinnen und Bürger steigen, sich die Lebenshaltungskosten ständig erhöhen und für nicht wenige Menschen in unserer Stadt Chemnitz auch kaum noch erschwinglich sind, nun auch die Entgelte in diesem wesentlichen Bildungsbereich deutlich erhöhen.

Die vorgesehen Erhöhung des Basiswertes von 6,00 auf 8,00 EUR und des Grundentgeltes pro Unterrichtseinheit auf einen Durchschnittswert von bislang 2,90 EUR auf künftig 4,10 EUR ist zwar nicht exorbitant aber für viele potentielle Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer alles andere als ein Pappenstil.

Dies im besonderen auch aus der Erwägung, dass es nach der Vorlage seit einigen Jahren eine erhöhte Nachfrage auch und gerade für niederschwellige Bildungsangebote gibt, was indiziert, dass es nicht um schlichte Freizeit- oder Luxusbildung geht.

Dass diese Entgeltordnung in § 6 ebenso wie die schon vorangegangene Entgeltordnung 2015 begrüßenswerterweise Entgeltermäßigungen für bestimmte Personengruppen vorsieht, wie etwa für Chemnitz-Pass-Inhaberinnen und ‑Inhaber, für Kinder sowie Schülerinnen und Schüler im ersten, jedoch noch nicht beruflichem Bildungsweg, für Schwerbehinderte und auch für Auszubildende ist hilfreich. Und wir begrüßen auch ausdrücklich, dass mit dem Änderungsantrag der Verwaltung, wie in der Beratung der Vorlage im Kulturausschuss am 17.03.2022 vorgeschlagen, Inhaberinnen und Inhaber der sächsischen Ehrenamtsgeldkarte in den Ermäßigungsanspruch aufgenommen werden und dass hinzukommend die Möglichkeit besteht, schriftlich Entgeltermäßigungen bei sozialen Härtefällen zu beantragen, worüber dann die Leiterin der Volkshochschule entscheidet.

Dies alles aber wird nicht verhindern, dass künftig noch mehr Bürgerinnen und Bürger, die schon gewöhnlich jeden Euro umdrehen müssen, noch öfter von dem so wesentlichen Bildungs- und kulturellem Angebot der Volkshochschule werden nicht Gebrauch machen können.

Zum anderen stellen wir fest, dass die Vorlage sachlich und nachvollziehbar begründet, warum nach nunmehr 7‑jähriger Gültigkeit der im Februar 2015 zuletzt durch den Stadtrat beschlossenen Entgeltordnung Erhöhungen unausweichlich erscheinen.
Das wird zunächst an dem Rückgang des Kostendeckungsgrades von im Jahr 2019 noch 57 Prozent auf in den Jahren 2020 und 2021 41 bzw. 37 Prozent deutlich. Wie auch in anderen Bereichen spielt dabei die Steigerung der Unterhaltungskosten, insbesondere auch der Personalkosten, einschließlich richtigerweise hinzugekommene pädagogische Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterstellen im Integrationsbereich, eine Rolle und es haben auch die Mindereinnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie mit wiederholten pandemiebedingten amtlichen Schließungen der Volkshochschule ihre Spuren hinterlassen.

Was uns aber wütend macht, ist, dass diese durch die Stadt Chemnitz und die Volkshochschule selbst sehr gering beeinflussbare Entwicklung in der Kostendeckung ihre maßgebliche Ursache in der aus unserer Sicht gesetzeswidrigen Vernachlässigung der Mitfinanzierung der Volkshochschulen durch den Freistaat Sachsen hat.

Wie in der Vorlagenbegründung auch ausgeführt, ist die vernachlässigte Förderstruktur des Freistaates Sachsen gegenüber den Volkshochschulen ein ganz maßgeblicher Faktor für den in den letzten Jahren immer weiter gesunkenen Kostendeckungsgrad, den damit parallel gestiegenen Eigenanteil der Stadt Chemnitz sowie den finanziellen Rückgriff auf die Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer, sprich auf Bildungs- und Weiterbildungswillige.

Während zahlreiche andere Bundesländer Finanzierungs- und Förderleistungen bis zu einem Drittel erbringen, beträgt die Grundförderung für die Volkshochschule Chemnitz, die der Freistaat Sachsen nach der Sächsischen Weiterbildungs-Förderverordnung derzeit erbringt, gerade mal 12 Prozent der Gesamtkosten. Das ist dreist und das ist beschämend!

In Zeiten, da der Anspruch auf lebenslange Weiterbildung als in die Verfassung aufzunehmendes Grundrecht diskutiert wurde, was in den 90er Jahren im Sächsischen Landtag wiederholt der Fall war und bei einer Verfassungslage in Sachsen, nach der das Land das Recht eines jeden Menschen auf Bildung als Staatsziel anerkennt, des Weiteren § 1 des Sächsischen Weiterbildungsgesetzes die Weiterbildung als einen eigenständigen gleichberechtigten Teil des Bildungswesens im Freistaat Sachsen anerkennt und den entsprechenden Trägern von Weiterbildungseinrichtungen letztlich auch angemessene Förderung zusagt, ist es höchst schäbig, wenn der Freistaat Sachsen mit 12 Prozent Kostenbeteiligung herumdiletantiert. Dass nach harscher Kritik nunmehr für dieses Jahr 2022 eine kleine Novelle des Weiterbildungsgesetzes angekündigt wird, welche zunächst nur die Überprüfung der Fördermodalitäten zum Ziel hat und erst für 2024 nicht ausschließbar also erst für die nächste Legislaturperiode eine große Novelle in Aussicht gestellt wird, die dann die Struktur der Weiterbildungsförderung grundhaft erneuern soll, ist aus un-serer Sicht nicht akzeptabel.

Dass das, was sich der Freistaat hier klemmt, durch Bildungswillige und die Kommune abgefangen werden muss und dass das letztendlich die Philosophie der Entgeltordnung ist, gefällt uns nicht und hindert uns daran, dieser Entgeltordnung zuzustimmen.

Das ist in diesem Fall keine Grundsatzkritik gegenüber der Verwaltung als Einbringerin, obgleich wir uns vorstellen können, dass Nachteilsspitzen durchaus etwas abgefangen werden könnten, wenn man bedachter und variabler die Entlastung von Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern eingebaut hätte, die tatsächlich Grundbildung in Anspruch nehmen wollen. Will heißen, bei Kursen wie etwa “Zumba-Fitness”, zur persischen Küche oder etwa dem Yoga-Grundkurs etwas mehr zuzuschlagen als bei der besagten Grundbildung.

Summa summarum, wir verstehen, aber wir akzeptieren diese Entgelterhöhung, diesen Weg der Inanspruchnahme der Kursteilnehmerinnen für diese wichtigen Bildungsarbeit wegen des reichlich knausrig agierendem Freistaat Sachsen nicht.

Wir überlegen, demnächst einen Antrag in den Stadtrat einzubringen, der die Verwaltung auffordert, gegenüber dem Freistaat darauf zu drängen, dass dieser seinen sich aus dem in der Sächsischen Verfassung veran-kerten Bildungsauftrag und den sich aus dem Weiterbildungsfördergesetz ergebenden Finanzierungspflichten in anständiger Weise nachkommt und seine Finanzierungsanteile künftig erhöht und pflichtgemäß erbringt.