Aus dem Stadtrat vom 15.12.: Kameraüberwachungssystems in der Chemnitzer Innenstadt

Hintergrund und Anlass unseres Antrages ist, dass Ordnungsbürgermeister Miko Runkel nach der in der Begründung dieses Beschlussantrages schon in Bezug genommenen Berichterstattung in der Freien Presse vom Samstag, dem 30. Oktober 2021 unter der Überschrift: Immer weniger Straftaten: Kameras vor der Abschaltung? über eine im Oktober stattgefundene Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Thema: Sicherheit um jeden Preis? offensichtlich zum Ausdruck gebracht hat, dass die Rechtmäßigkeit der weiteren Nutzung der im Jahr 2018 (mit Kostenaufwand von ca. 850.000,00 EUR bei einem Kostenanteil der Stadt Chemnitz von 420.000,00 EUR) im Stadtzentrum installierten Kameraüberwachungsanlage in Frage steht, wenn sich der Rückgang der Rechtsverletzungen im Zentrum, respektive im Einzugsbereich der Überwachungsanlage weiter so verringert, wie in den letzten beiden Jahren.

Im Pressebeitrag wird Ordnungsbürgermeister Miko Runkel mit den Worten wiedergegeben:

Wenn wir die Videoüberwachung nicht mehr rechtfertigen können, muss man sich dem stellen.

Zum Hintergrund wird erläutert, dass die Stadt Chemnitz auf Verlangen der Aufsichtsbehörde für den überwachten Bereich zwischen Stadthalle, Rotem Turm, Zentralhaltestelle und Tietz laut Ordnungsbürgermeister jährlich eine neue Gefahrenprognose erstellen und über die Aufklärungserfolge Rechenschaft ablegen muss.

Ähnlich, so weiter im Pressebeitrag, verfahre die Polizei, die die Anlagen zur Aufklärung von Straftaten mit nutzt. Im gleichen Kontext verweist die Freie Presse darauf, dass auch die Kriminalstatistik der Polizei für das gesamte Stadtgebiet, insbesondere auch für den Stadtteil Zentrum einen deutlichen Kriminalitätsrückgang ausweist, allein seit 2016 um ein Drittel.

So die Botschaft, respektive die im Raum stehenden Meldungen!

Diese und nicht irgendwelche ideologischen Spreizübungen sind es, die uns für diesen Antrag, der nicht mehr und nicht weniger als eine Informationsvorlage zur besagten Problematik erbittet, Anlass war.

Und wir meinen, dass es sehr wohl richtig und geboten ist, denn die Videoüberwachung im öffentlichen bzw. öffentlich zugänglichen Raum und allzumal in einem urbanen Stadtzentrum wie hier in Chemnitz, ist keine Selbstverständlichkeit. Fehlt es an den gesetzlich vorgegebenen Voraussetzungen hierfür, ist sie wegen des darin liegenden massenweisen Eingriffs in Grundrechte unzulässig.

§ 13 des Sächsischen Datenschutzdurchführungsgesetzes sagt dazu in Absatz 1:

Die Erhebung personenbezogener Daten mit Hilfe von optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung), deren Speicherung und sonstige Verarbeitung sind nur zulässig, soweit dies jeweils zur Wahrnehmung einer im öffentlichen Interesse liegenden Auftrag … erforderlich ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Interessen betroffener Personen überwiegen.

§ 30 des Sächsischen Polizeibehördengesetzes, also die unmittelbar einschlägige Bestimmung für den Anteil an der Nutzung der Überwachungsanlage, der die Polizeibehörde betrifft, besagt:

Die Polizeibehörden können personenbezogene Daten in öffentlich zugänglichen Räumen durch den offenen Einsatz technischer Mittel zur Bildaufnahme und ‑aufzeichnung erheben, soweit
1. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort künftig erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit entstehen.

Zur Trias gehört dann § 57 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes, welcher für den Bereich der Polizeidirektion normiert, dass auf öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen der Einsatz technischer Mittel zur Bild- und Tonaufnahme und ‑aufzeichnung nur dann zulässig ist,

wenn nach polizeilich dokumentierten Tatsachen die Kriminalitätsbelastung dort gegenüber der des Gemeindegebiets deutlich erhöht ist (Kriminalitätsschwerpunkte) und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort künftig Straftaten begangen werden, durch die Personen, Sach- oder Vermögenswerte gefährdet werden.

Die derzeit 31 angeschlossenen Multisensorkameras mit jeweils bis zu 8 Objektiven im Stadtzentrum ermöglichen rund um die Uhr bis zu einer Entfernung von ca. 100 Metern die Identifizierung jeder Person, die sich in diesem Einzugsbereich bewegt bis hin vielleicht hilft das Bild zu jedem Liebespärchen, das Zärtlichkeiten austauscht.

- Das ist in puncto Eingriffe in Grundrechte mitnichten nichts!

Und deshalb obliegt es eben auch dem Stadtrat, nachdem dieser 2018 der Einrichtung dieser Überwachungsanlage bzw. ihrer Finanzierung zugestimmt hat, nach wovon ich ausgehe eingehender Prüfung der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen, gemäß seiner Überwachungsfunktion nach § 28 Abs. 3 Sächsische Gemeindeordnung sich ein Bild zu verschaffen, ob die Nutzung dieser Kameraanlage, begonnen bei unseren eigenen Ortspolizeibehörden, noch immer rechtmäßig ist.

Noch ein paar Worte zur Stellungnahme der Verwaltung, die den Antrag zunächst für zulässig und abstimmungsfähig erklärt.
Die Auffassung, dass eine Informationsverpflichtung gegenüber dem Stadtrat nur betreffs der Nutzung der Anlage durch die Polizeibehörde besteht, teilen wir ausdrücklich nicht. Für diese Anlage mit Betroffenheit aller Chemnitzerinnen und Chemnitzer im Zentrum dieser Stadt, hat der Stadtrat als gewählte Volksvertretung eine grundsätzliche Verantwortung, was nicht zuletzt seinen Beitrag zur Wahrung der verfassungsmäßigen Rechte der Bürgerinnen und Bürger einschließt.

Wenn die Stellungnahme weiter erklärt, eine jährliche Gefahrenprognose werde nicht erstellt, weil diese weder gesetzlich vorgeschrieben noch durch die Aufsichtsbehörde verlangt wird, steht dies schlicht im Gegensatz zu dem, was die Freie Presse unter Bezugnahme auf Äußerungen des Ordnungsbürgermeisters im besagten Podium in ihrem Pressebeitrag reflektiert.

Und rein denklogisch: Um festzustellen und den erforderlichen Nachweis zu führen, dass die in den genannten Rechtsvorschriften benannten Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Videoüberwachung im öffentlichen Raum, d.h. die vom Gesetzgeber geschaffenen Vorgaben, eingehalten sind, muss es eine Prognose oder eine regelmäßige Evaluation geben, die den weiteren Einsatz dieses Ausnahmemittels rechtfertigt.

Fehlt es an einer solchen regelmäßigen und strengen Rechtmäßigkeitskontrolle, fehlt es auch an der nachgewiesenen Rechtfertigung. Und dann ist die Maßnahme sowohl nach dem Polizeibehördengesetz als auch nach dem Polizeivollzugsdienstgesetz unzulässig und nach dem Sächsischen Datenschutzdurchführungsgesetz ohnehin.

Daher bitten wir freundlich um Zustimmung zu unserem Antrag auf Einholung dieser Informationsvorlage.

Da wir den Antrag im November wegen der übervollen Tagesordnung runtergenommen haben und erst heute behandeln, beantragen wir, ergänzend den Termin für die Informationsvorlage von Februar 2022 auf April 2022 zu verschieben.

Mehr soll es jetzt nicht sein. Was sich aus der Informationsvorlage ergibt und wie wir dann damit umgehen, sehen wir später.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!