Aus dem Stadtrat vom 23. November: Verbesserung der Sicherheit in der Chemnitzer Innenstadt

Wir unterstützen diesen Antrag nicht. Sicherlich steht es völlig außer Streit, dass wir uns über die weitere Verbesserung der Sicherheit in der Innenstadt Gedanken machen müssen, also auch entsprechende Entscheidungen, die haushaltsrelevant sein könnten, treffen müssen.

Dies, wenngleich Chemnitz nun wahrlich keine Hochburg von Kriminalität ist, ausdrücklich auch nicht deren Innenstadtbereich. Das belegen empirisch gestützte Erkenntnisse, alle verfügbaren Vergleichszahlen, die Kriminalstatistik etc.

Gegen einen Prüfauftrag an die Stadtverwaltung, namentlich das entsprechende Fachdezernat 3, haben wir nichts, obgleich die eingangs der heutigen Stadtratssitzung durch den Ordnungsbürgermeister erteilte weithin themenbezogene Information zeigt, dass das Rechtsamt und die Polizeibehörde keineswegs untätig und auch nicht ohne Plan zur Verbesserung der Sicherheit in der Innenstadt agieren, der Polizeivollzugsdienst, respektive die Polizeidirektion Chemnitz ebenso wenig.

Was uns an dieser Vorlage stört, ist, dass der Prüfauftrag der Verwaltung von vornherein eine Denkrichtung, ein Herangehen vorgibt, welches nicht nur ausschließlich auf Restriktion setzt, sondern mit Grundrechtseingriffen umgeht, wie mit dem Wetterbericht.

Sie begehren mit dem Beschlussvorschlag eben nicht, dass die Verwaltung, dass das Dezernat 3 im Zusammenwirken mit der Polizeidirektion Chemnitz ergebnisoffen prüft, was unter Berücksichtigung der in einem Rechtsstaat vorgeschriebenen Balance zwischen Eingriffen aus vermeintlichen Sicherheitsinteressen und den Grund- und Freiheitsrechten der Bürgerinnen und Bürger speziell im Bereich am Wall als einem Straßenzug, in welchem sich derzeit tatsächlich Straftaten und andere Rechtsverletzungen gehäuft zeigen, getan werden kann.

Nein: Sie formulieren: Die Stadtverwaltung wird beauftragt, die rechtlichen Voraussetzungen für folgende Maßnahmen für den Bereich der Straße Am Wall zu prüfen und das Ergebnis einschließlich der ggf. verbundenen Kosten dem Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt und Sicherheit in Form einer Beratungsvorlage vorzulegen.

Dann führen Sie die Maßnahmen auf:

  1. Erweiterung der innerstädtischen Videoüberwachung auf die Straße Am Wall;
  2. Nutzung des Alkoholverbots für den gesamten Straßenzug Am Wall
  3. Einrichtung einer Waffenverbotszone und diese gleich im Vorbeigehen auf den Stadthallenpark inklusive Springbrunnen, die Straße der Nationen beginnend Kreuzungsbereich Brückenstraße bis zum Markt -, die Zentralhaltestalle, Markt bzw. Neumarkt, den Rosenhof und ggf. auf weitere Gebiete nach Einschätzung des Dezernats 3 erstreckt

Und da fällt dir nichts mehr ein: Erweiterung der innerstädtischen Videoüberwachung: Wie sensibel das Projekt der fortdauernden Nutzung der Kameraüberwachungsanlage im Stadtzentrum ist, wurde im Stadtrat selbst wie in der Stadtgesellschaft wiederholt diskutiert.

Worauf auch schon die Stellungnahme des Dezernats 3 hinweist: Bei der Videoüberwachung durch die Stadt handelt es sich um eine Maßnahme auf der Grundlage des Polizeibehördengesetzes. Aufgaben nach dem Polizeibehördengesetz sind Weisungsaufgaben, die der Oberbürgermeister gem. § 53 Abs. 3 Gemeindeordnung in eigener Zuständigkeit erledigt.

Inwieweit wir dem Oberbürgermeister als Stadtrat in dieser Sache überhaupt reinregieren oder in die Parade fahren können, ist Ihrerseits ebenso völlig außer Blick, wie der Umstand, dass die jetzt in Betrieb befindliche Anlage von mehreren Partnern mit unterschiedlichen Rechtsgrundlagen gemeinsam betrieben wird, fortwährend unter dem von vornherein gewichtigen und nicht unskeptischen Blick der Sächsischen Datenschutzbeauftragten.

Und damit wir uns richtig verstehen: Es ist mir aus 29 Jahren Zugehörigkeit im Sächsischen Landtag kein Fall bekannt, dass eine derart flächendeckende Videoüberwachung im unmittelbaren Zentrum einer Stadt, im Kernbereich der City stattfindet, wie hier in Chemnitz. Das kann man machen, muss es aber nicht, gleich gar kann man es erweitern.

Nun zur Vorgabe Alkoholverbot im gesamten Straßenzug Am Wall: Richtig ist, dass die Ortspolizeibehörden örtlich und zeitlich begrenzte Alkoholkonsumverbote nach § 33 des Sächsischen Polizeibehördengesetzes erlassen dürfen wohl gemerkt: die Polizeibehörden, nicht der Stadtrat. Und unter welchen Voraussetzungen ein entsprechend örtlich und zeitlich begrenztes Alkoholkonsumverbot in Frage kommt, schreibt u. a. die Handlungsempfehlung zur Einrichtung von Alkoholverbotszonen, die der Landespräventionsrat des Freistaates Sachsen erarbeitet und sich das Sächsische Staatsministerium des Innern zu eigen gemacht hat.

Als erstes steht dabei in der Konzeption unter Vorüberlegung: Ein Alkoholkonsumverbot in der Öffentlichkeit ist immer ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Einzelnen. Ein Alkoholkonsumverbot kann unbeschadet dessen zum Schutz überwiegender Rechtsgüter von Anwohnern, Gewerbetreibenden und Passanten gerechtfertigt sein, aber eben wegen der Grundrechtseingriffsproblematik unter der Voraussetzung, dass andere weniger intensive Maßnahmen ohne den gewünschten Effekt geblieben sind.  Also solche wie Platzverweise, Hausrechtsausübung, Nutzungsordnung von Parkanlagen etc.

Erst, wenn mildere Mittel keinen Erfolg bringen, muss geprüft werden, ob ein Alkoholkonsumverbot nach § 33 SächsPBG ausgesprochen werden soll.

Weiter gibt dann eine Empfehlung des Landespräventionsrates eine fall- bzw. standortbezogene Prüfung der Verhältnismäßigkeit vor und eine Belastungsanalyse, die vier Schritte umfassen muss, welche ich hier aus Zeitgründen nicht im Einzelnen referieren kann. Erst dann kommt die Verhängung dieser Maßnahme in Frage.

Auf meine entsprechende Rückfrage bei Behandlung dieses Antrages im Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt und Sicherheit, ob sich denn zunächst der Kriminalpräventive Rat der Stadt Chemnitz mit der Problematik befasst hat, wie wir gemeinsam an eine Erhöhung der Sicherheit und Sauberkeit im Bereich der Straße Am Wall herangehen, ist eindeutig bedeutet worden, dass dies nicht der Fall ist. Der Schritt muss doch mindestens vorausgehen! Wir müssen doch wenigstens unsere eigenen geschaffenen Gremien partnerschaftlicher Sicherheitspolitik mit dem notwendigen Respekt einbeziehen!

Und die Krone ist dann noch die Vorgabe Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen für die Einrichtung einer Waffenverbotszone für den besagten Straßenzug Am Wall, aber möglichst auch für den gesamten Stadthallenpark inklusive Springbrunnen, Straße der Nationen bis Kreuzungsbereich Brückenstraße bis Markt, Zentralhaltestelle, Markt und Neumarkt, Rosenhof etc. jeweils in Einzelfallprüfung.

Mal abgesehen davon, dass zur Einrichtung von Waffenverbotszonen nach § 42 Abs. 5 Waffengesetz nur die Landesregierungen, respektive hier die Sächsische Staatsregierung ermächtig sind, nicht aber kommunale Körperschaften, sodass sich schon die Frage stellt, inwieweit die Aufgabenstellung Prüfung der Einrichtung einer Waffenverbotszone hier zulässig ist.

Ist an Ihnen vorbeigegangen, dass die einzige flächenmäßig vergleichbare Waffenverbotszone in Sachsen, nämlich die, die der Freistaat Sachsen im Jahr 2018 noch unter Innenminister Ulbig im Areal um die Eisenbahnstraßein Leipzig einrichten ließ, mit entsprechendem Beschluss der Staatsregierung natürlich, im Juli diesen Jahres gekancelt worden ist. Sie wird derzeit abgewickelt. Dies, weil die Evaluierung in der Praxis ergeben hat, dass man Probleme von Kriminalitätsbekämpfung, Ordnung und Sicherheit so nicht löst. Originalton des Ordnungsbürgermeisters der Stadt Leipzig bei der Vorstellung des Evaluationsberichtes der Waffenverbotszone:

Die Evaluierung hat gezeigt, dass die Waffenverbotszone in der Eisenbahnstraße zwar als zusätzliches Instrument zur Senkung bewaffneter Angriffe beitrug aber dennoch kaum positive Auswirkungen auf das übliche Kriminalitätsgeschehen hat.

Die Evaluation der Waffenverbotszone um die Eisenbahnstraße hat ergeben, dass dieses Instrument der Waffenverbotszone von vielen Betroffenen als zutiefst diskriminierend empfunden wurde. Auch weil man, wenn Konflikte im konkreten Stadtteilsbereich entstehen können, weil dort im besonderen Maße Menschen mit Herkunft aus verschiedenen Ländern der Welt zusammenkommen, diese eben nicht dadurch lösen kann, dass man über ein ganzes Stadtgebietsareal den Generalverdacht verhängt, mit allen daraus resultierenden Möglichkeiten drohender anlassunabhängiger Kontrollen, sonstiger Eingriffe in Persönlichkeits- und Freiheitsrechte.

Die Stadt Leipzig hat, nachdem zuvor wohlgemerkt der Kriminalpräventive Rat damit befasst war und Vorschläge unterbreiten konnte, ein neues Maßnahmepaket auf den Weg gebracht, das die tatsächliche Sicherheitslage und das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung verbessern soll. Dazu gehört u. a. die Einrichtung eines festen Polizeistandortes in diesem Gebiet, was für uns zu übersetzen ist mit Erhöhung der Präsenz des Polizeivollzugsdienstes und des Polizeiordnungsdienstes im Bereich Am Wall. Die Stadt Leipzig hat weiter die Schlussfolgerung gezogen, dass Polizei und Ordnungsdienst internationaler werden müssen. Will heißen, dass wir im Stadtzentrum und damit auch in der Straße Am Wall, wo im Besonderen Maße viele Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern und unterschiedlichsten Kulturen zusammenkommen, ein Signal brauchen, dass mit den Konflikten, die hierdurch entstehen, durch das eingesetzte Personal auch umgegangen kann, weil es in diese Richtung geschult ist. Es muss sich möglichst um Menschen handeln, die auch aus den hier einheimischen Communitys stammen.

Natürlich will Leipzig auch, wie auch wir dies tun müssen, Kontroll- und Verfolgungstätigkeiten, Informations- und Präventivkampagnen dort in der Eisenbahnstraße, wir hier im Zentrum und im Bereich Straße Am Wall intensivieren. Aber das alles nützt nichts, wenn nicht ausreichend kompetente Ansprechpartner für den Einsatz verfügbar sind.

Viel wichtiger als die Einrichtung von Waffenverbotszonen, Alkoholverbot und Videokameraanlage etc., bezogen auf das Thema, was wir heute verhandeln, sind Maßnahmen der Personalgewinnung, eine Ausbildungsoffensive für den Ordnungs- und Polizeidienst, die der Ausrichtung auch auf die multikulturelle Ausprägung besagter Stadtzentrumsbereiche dienen.

Zu diesem gesamten System, zu dem auch die verstärkte Arbeit mit Streetworkern gehört, ist von uns unbestritten, wenngleich Streetworker nicht vordergründig zur Verhinderung oder Prävention von Straftaten und Rechtsverletzungen da sind, gleich gar nicht zur Erhöhung der Sauberkeit, wie dies der Änderungsantrag von Grüne und SPD begehrt, da sind.

Summa summarum: Wir reden gern mit Ihnen über die Verbesserung der Sicherheit in der Chemnitzer Innenstadt, auch gern über die Erteilung eines entsprechenden Antrags, um der Verwaltung für vernunftbegabte Entscheidungen in dieser Frage auf die Sprünge zu helfen, aber nicht mit diesem Hau-drauf-Ansatz!

Mit dem heute vorgelegten Änderungsantrag von SPD und der Fraktionsgemeinschaft Bündnis 90/Die Grünen können wir gut leben! Er wird von uns unterstützt.