Aus dem Stadtrat vom 22. März: Rede zum Haushalt 2023/2024

Als wir vor zwei Jahren den letzten Doppelhaushalt beschlossen haben, sind wir von einem „Haushalt in der Krise ausgegangen. Die Pandemie war in vollem Gange und die meisten von uns waren, was die Finanzen der Stadt anging, nicht von allzu großem Optimismus beseelt.

Wenn der letzte Doppelhaushalt einer in der Krise war, ist es der heutige gleich recht. Krieg gegen die Ukraine, Energiekrise, Inflation in bisher nicht gekannter Höhe, kaum Wirtschaftswachstum und steigende Zinsen in einem rasanten Tempo. Alles Faktoren, die nicht hausgemacht und damit kaum beeinflussbar sind.

Der heute zur Beschlussfassung vorliegende Haushalt ist von zwei Besonderheiten geprägt: Zum einen

  • er ist der Haushalt, der die Kommunalwahl 2024 mitprägen wird und zum Anderen
  • der Haushalt, der den Erfolg des Kulturhauptstadtjahres vorbereitet.

Der heutige Haushalt wurde bereits im Vorfeld heiß debattiert. Allein der unsägliche Versuch, die freiwilligen Leistungen im Bereich der Jugend- und Familienförderung um 1,5 Millionen zu kürzen, war ein drastisches Eigentor der Verwaltung, was hätte vermieden werden müssen. Peinlichkeit Nummer 1. Die über die Presse verkündete sukzessive Schließung von Kitas gehört zur zweiten Peinlichkeit. Durch die gemeinsamen starken Aktionen vieler Akteure der Stadtgesellschaft und des Stadtrates konnte die Verwaltung zum Umdenken gebracht werden. Auch das war eine Aktion, die überflüssig war und den gesellschaftlichen Frieden gefährdet hat.

Die heute vorgeschlagenen Kürzungen bei der Stadtbibliothek und die Einstellung des kostenlosen Museumsbesuches einmal im Monat gehört zur 3. Peinlichkeit.

Chemnitz gehört zu den Städten, deren Bevölkerung mit einem hohen Durchschnittsalter gesegnet ist. Wenn das aber so ist, muss die Stadtgesellschaft dafür etwas tun. Die älteren Chemnitzerinnen und Chemnitzer haben in den letzten Jahrzehnten die Stadt aufgebaut und zwar so, dass man sich dafür nicht schämen braucht. Ich sage das ganz bewusst, weil ab und an die Höhe des Durchschnittsalters als eine Belastung empfunden wird. Viele Seniorinnen und Senioren bringen sich mit viel Engagement in das gesellschaftliche Leben der Stadt ein und bewältigen vielfältige Aufgaben im Ehrenamt, ohne das wäre die Stadtgesellschaft ein Stück ärmer. Das muss aber nachhaltiger und besser gefördert werden.

Kinder und Jugendliche sind die Zukunft unserer Stadt. Für diese jungen Menschen werden vielfältige Angebote gebraucht. Das fängt mit guten Kitas an und hört bei Spielplätzen und Schulhöfen nicht auf. Machen wir uns nichts vor, auch wenn die Stadt dafür nicht die Ursachen gesetzt hat, die Kinder und Jugendlichen sind die großen Verlierer der Pandemie. Wenn Lebensqualität und Schulbildung leiden und psychosomatische Beschwerden größer werden, brauchen wir ein Mehr an umfassender Unterstützung und Förderung für die jungen Chemnitzerinnen und Chemnitzer und ihre Familien.

Wir geben in dem Zweijahreshaushalt über 85 Mio. € für Hilfen zur Erziehung aus. 2019/21 zu Beginn der Legislatur waren es noch gut 70 Mio. €. Uns sollte bewusst sein, dass allein mit viel Geld für Hilfen zur Erziehung der jungen Generation in unserer Stadt langfristig nicht geholfen wird. Hinter diesem Aufwuchs stecken gravierende Probleme in unserer Gesellschaft, denen sich die demokratischen Fraktionen annehmen müssen.

Völlig unverständlich ist, dass die durch die Stadt geförderte Erzieherausbildung erst einmal wieder eingestellt werden soll. Bei 400 Erziehern in den Kitas und Schulhorten, die in den nächsten 15 Jahren in Rente gehen werden, ist das ein Unding. Wir machen dies nicht mit, weil es eben nur eine partielle Entlastung wäre, langfristig aber der völlig falsche Ansatz ist.

Chemnitz die Sportstadt davon sind wir ein großes Stück entfernt. Leistungssport, der den Namen unserer Stadt in Deutschland und der Welt bekannt macht, ist aber trotzdem eine Aufgabe, der sich die Kommune stellen muss. Es gehört aber auch und im Besonderen der Breitensport dazu, ohne den kein Leistungssport denkbar ist. Deshalb treten wir dafür ein, dass der Vereinssport besser als bisher gefördert wird. Wenn der Stadtrat eine 75%ige Förderung für die Betriebskosten der Vereine beschließt, dann darf man erwarten, dass dies auch im Haushalt eingepreist ist. Leider Fehlanzeige, was nun durch Änderungsanträge der demokratischen Fraktionen beseitigt werden soll.

Der Breitensport in den vielen Vereinen in unserer Stadt ist auch Kinder- und Jugendförderung. Deshalb muss dafür mehr Geld in die Hand genommen werden, um Sportstätten der Vereine zu ertüchtigen. Dazu zählt auch, dass im Interesse der demokratischen Kultur auch Sportstätten in den Ortschaften gebaut werden. Mancher Wunsch der Ortschaften tümpelt schon 10 Jahre und mehr in den Plänen vor sich her. Rein in den Plan, dann wird Geld für etwas Anderes gebraucht und schon wartet man auf den nächsten Haushalt, immer das gleiche Spiel.

Niemandem kann man erzählen, dass wir zwar einen Schwimmsportkomplex bauen, der X Millionen mehr kostet, aber für die Vereinsanlagen immer und immer wieder viel zu wenig tun mit dem Verweis, es ist kein Geld da.

Zum Amateursport gehört inzwischen auch die Roll und Funsportszene. Im letzten Haushalt haben wir uns nach langem Hin und Her für ein Interessenbekundungsverfahren entschieden. Ergebnis gleich Null. Inzwischen hat sich diese sehr schnell wachsende Sportlergruppe von einem Neubau verabschiedet, will nun eine alte Industriehalle nutzen und sich dabei tatkräftig mit einbringen. Nur leider sind im heutigen Entwurf gar keine Gelder dafür vorgesehen. Die demokratischen Fraktionen müssen in ihren Änderungsvorschlägen Mittel zusammenkratzen. Insofern sind wir bei Peinlichkeit Nummer 4.

Wir haben uns als Stadtrat entschieden, der Kooperationsschule eine Chance zu geben. Dass nun der geplante Standort so enorm teurer wird und damit nicht mehr zu stemmen ist, bedauern wir. Die Suche nach einem alternativen Standort ist aber die einzig richtige Entscheidung. Die aber braucht bei aller Dringlichkeit Zeit, weil auch die Bedürfnisse und Wünsche der anderen Schulen, Schulleitungen und Eltern und der Kinder beachtet werden müssen. Insofern ist der Änderungsvorschlag der Verwaltung ein richtiger Schritt, damit wir eine 5. Peinlichkeit vermeiden.

Es ist der Haushalt vor dem Kulturhauptstadtjahr. Enorme Mittel sind dafür bereitgestellt worden. Die Interventionsflächen und die Lieblingsplätze sind in Arbeit wir mahnen allerdings an, den Kosten und Zeitplan einzuhalten. Niemanden wird es wundern, wenn das eine oder andere Projekt teurer wird. Als 2020 geplant wurde, waren die aktuellen Krisen nicht vorstellbar. Aber. Da muss die Verwaltung mit offenen Karten spielen und nicht haushalterisch tricksen.

Am 31.12.2025 ist das Kulturhauptstadtjahr zu Ende. Wir müssen deshalb in den nächsten beiden Jahren Voraussetzungen schaffen, damit das Kulturhauptstadtjahr nachhaltig in den darauffolgenden Jahren wirkt. Dazu bedarf es auch einer zielgenauen Förderung der freien Kulturszene. Vor und auch nach dem Jahr 2025. Wir denken, dass die im Haushalt vorgesehenen Mittel ein gutes Bekenntnis der Stadt zur freien Kultur sind.

In Sachen Kulturhauptstadt braucht die Verwaltung und die GmbH den Rückhalt im Stadtrat, aber auch eine konstruktive kritische Begleitung. Was wir brauchen, ist mehr Schwung, eine viel bessere Einbindung der Chemnitzer und ein Mehr an Gemeinsamkeiten aller Akteure. Ein Neben oder gar Gegeneinander der unterschiedlichen Akteure ‑darf es nicht geben, sonst verspielen wir die einmalige Chance unserer Stadt.

Der Haushaltsplanentwurf versucht, an einigen Stellen einen ökologischen Anschein zu wahren. Maßnahmen zur Klimaanpassung müssen sich in allen Bereichen der Stadtverwaltung wiederfinden und das werden wir auch in den kommenden Jahren noch viel stärker und konsequenter umsetzen und als Stadtrat kontrollieren müssen. Die Klimamillion muss für Klimamaßnahmen eingesetzt werden und darf nicht zur Verfügungsmasse verkommen. Wir regen an, dass dabei das Umweltamt eine stärkere Rolle spielen muss.

2019 haben wir 6,8 Mio. € für den ÖPNV aus dem Stadtsäckel bereitgestellt, 23 werden es 21,4und 2024 26,4 Mio. sein. Und doch kommt hoffentlich niemand auf die Idee, daran Abstriche zu machen ein gut funktionierender ÖPNV wird auch im Kulturhauptstadtjahr ein wichtiger Erfolgsfaktor sein. Das gilt auch für andere Unternehmen und Einrichtungen der Stadt wer da wo und wie die Axt anlegen will, hat den Wert dieser für eine kulturvolle Stadt nicht begriffen. Oder ist ein Kulturbanause.

Der heutige Entwurf schließt in jedem Jahr mit einem satten Minus ab. Dazu gehört auch die Abnahme der liquiden Mittel. Nun gibt es sicher auch hier im Rat nicht wenige, die aus dem Ergebnis 2021 ableiten: alles wird nicht so schlimm und 2023 bzw. 2024 wird das Ergebnis auch wieder positiv. Das heutige Minus wäre reine Panikmache des Kämmerers.

Ich gebe zu, diese Denke würde mir auch gefallen. Aber sie wird nicht eintreten. Sicher kann niemand konkret sagen, ob es am Ende 50 oder nur 40 Millionen Euro Verlust sein werden. Dazu ist die Welt zu unsicher. Dazu kommt, dass die Tarifverhandlungen noch im Gange sind und noch niemand die konkreten Auswirkungen auf den Haushalt kennt.

Mit dem Zweijahreshaushalt werden wir die Pro-Kopf-Verschuldung von 421 € auf 834 € erhöhen müssen. Immer noch ein positiver Spitzenwert unter den deutschen Großstädten. Trotzdem sind auch wir gefordert, nicht nur über Ausgabenzuwächse nachzudenken, sondern auch über ein mehr an Einnahmen. Die Übernachtungssteuer gehört für uns ebenso dazu wie eine konsequente Wirtschaftsförderung. Ohne die sind die Millionen Steigerung bei der Gewerbesteuer ein bloßer Traum.

Kritisch hinterfragen wir nochmals die Vorgehensweise der Verwaltung zur Reduzierung von Personal. Wir teilen die Auffassung des Personalrates, der berechtigt anmahnt, dass eine immer größer werdende Aufgabenfülle nicht mit weiteren Personalkürzungen beantwortet werden kann auch dann nicht, wenn es eigentlich kaufmännische Sorgfalt gebietet. Mit dem Rasenmäher ohne Aufgabenkritik Stellen wegfallen zu lassen oder zu streichen, damit laufen wir mehr und mehr in eine Überlastungsfalle bei den Beschäftigten. Das kann aber nicht der Weg sein.

Wir erwarten eine konkrete Überprüfung der zur Streichung vorgesehenen Stellen, damit die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung im Interesse der Bürger der Stadt nicht darunter leidet.

Unsere Fraktionsgemeinschaft bedankt sich bei den Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen von CDU, Grüne, SPD und FDP, mit denen wir über gemeinsame Anträge sachlich und im gegenseitigen Respekt diskutieren durften.

Ich denke, an Hand der vielen gemeinsamen Anträge wird deutlich, dass Chemnitz in dieser Hinsicht ein Vorzeigeprojekt in Sachen demokratischer Kultur sein kann. Auch der Verwaltung gilt unser Dank für die stets gute und verlässliche Gesprächskultur.