Aus dem Stadtrat vom 31.01.2024: Kommunales Europa

Wir sind wenige Monate vor den Europawahlen. Auch, aber nicht allein deshalb bringen wir heute diesen Beschlussantrag ein, mit welchem wir zum einen begehren, dass sich der Stadtrat von Chemnitz ausdrücklich für ein stärkeres Mitspracherecht der Kommunen an der Erarbeitung sie betreffender verbindlicher Rechtsakte und Regelungen der EU ausspricht.

Des Weiteren bitten wir um Zustimmung zum Auftrag an den Oberbürgermeister, gegenüber der Sächsischen Staatsregierung die Erwartung des Stadtrates von Chemnitz vorzutragen, dass sich die Staatsregierung gegenüber der EU dafür einsetzt, dass im Rahmen des Mehrebenen-Regierungssystems der EU auch die Kommunen eigene Initiativ‑, Kontroll- und Beteiligungsrechte erhalten, namentlich, wenn es um die Erarbeitung sie betreffender Rechtsakte geht.

Wie schon eingangs der Antragsbegründung betont, kann aus unserer Sicht ein gut funktionierendes Europa nur auf dem Fundament der Kommunen stehen und existieren.

Die Europaarbeit der Kommunen wird daher zunehmend wichtiger. 60 bis 70 Prozent der in der Europäischen Union beschlossenen Regelungen haben Einfluss auf die Kommunen. Entweder betreffen sie direkt kommunale Zuständigkeitsbereiche oder berühren die Kommunen indirekt als eine der mitgliedsstaatlichen Ebenen, die EU-Recht umsetzen.

Mithin ist Europapolitik in diesem Sinne auch über weite Strecken Kommunalpolitik. In vielfältigen Prozessen, wie sie sich in den Kommunen, mithin auch in unserer Stadt Chemnitz vollziehen, ist die Europäische Union immer mit dabei: Ob es um die Versorgung mit Wasser, Strom oder Gas, um Vergabeverfahren, um Schulneubau, um die Planung und Fortentwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs, die Regional- und Förderpolitik oder beispielsweise bezogen auf den ländlichen Raum um Landwirtschaftspolitik geht. Fakt ist, dass derzeit ein großer Teil der EU-Regelungen mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Kommunen ohne deren direkte Beteiligung beschlossen werden.

Die Erklärung der Staatsregierung in ihrer Stellungnahme vom 29. November 2023 zu diesem Antrag, dass Chemnitz Mitglied im Europäischen Netzwerk EUROCITIES ist, dessen Hauptanliegen darin besteht, als Netzwerk den Einfluss und die Sichtbarkeit von Städten gegenüber der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament zu erhöhen und dass unsere Stadt in diesem Netzwerk mitarbeitet, in allen Ehren, aber das ist uns nicht genug, ist uns etwas zu dürftig.

Immer mehr Städte, Gemeinden und Landkreise tragen der besagten Entwicklung zum einen dadurch Rechnung, dass sie beispielsweise Europabeauftragte benannt haben, die relevante Informationen sammeln, auswerten und innerhalb der Verwaltung weiterleiten oder sich um die Einwerbung Europäischer Fördermittel bemühen. In zahlreichen größeren Städten sind eigene Europabüros entstanden, die auch aktive Öffentlichkeitsarbeit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern betreiben. Unsere Partnerstadt Düsseldorf z. B. hat ein eigenständiges Konzept Ganzheitliche Europaarbeit.

Es mag durchaus sein, dass unsere Verwaltung, wie die Stellungnahme andeutet, in europapolitischen Zusammenhängen wesentlich aktiver ist, als wir das im Stadtrat derzeit wahrnehmen, was durchaus auch dem Umstand geschuldet sein kann, dass wir uns selbst als Stadtrat, mal die Prozesse um Chemnitz Kulturhauptstadt 2025 ausgenommen, in unserem Alltag zu wenig mit den die Europapolitik betreffenden Fragen befasst haben. Das sollten wir dann aber auch ändern. Und ein Schritt in diese Richtung kann nach unserer Auffassung die Zustimmung zur hier gegenständlichen Beschlussvorlage sein, mit der wir den Oberbürgermeister auch beauftragen würden, quasi im direkten Richten gegenüber der Staatsregierung die Erwartung auszusprechen, dass nicht länger im Mehrebenen-Regierungssystem der EU letztlich nur die Regionen über die Subsidiaritätsprüfung hinausgehende Initiativ‑, Kontroll- und Beteiligungsrechte erhalten, sondern auch Kommunen, große Städte wie Chemnitz etwa, selbst.

Dies würde nicht zuletzt dazu beitragen, dass künftig diese oder jene Entscheidung auf EU-Ebene wesentlich bürgernaher getroffen wird als bislang. Wir setzen also auf ein aktiveres Einmischen in europapolitische Prozesse und bitten in diesem Sinne um Ihre Zustimmung zu dieser Beschlussvorlage.